Ein Handydisplay zeigt einen Ordner mit verschiedenen Social Media Apps zur Auswahl.

7 Hürden beim Einsatz von Social Media in der Projektgruppenarbeit

Für unsere Projekte mit Jugendlichen nutzen wir am Adolf-Bender-Zentrum schon länger den Dreh von Videos als Medium, damit Jugendlichen ihren Erkenntnissen aus der Projektarbeit Ausdruck verleihen können oder die Ergebnisse kreativ aufarbeiten. Das Thema Social Media stellt uns vor neue Herausforderungen, ein Erfahrungsbericht aus der Projektarbeit in sieben Hürden und Alternativvorschlägen.

Ein Text von Marina A. Henn

Soziale Medien werden noch immer als Neue Medien bezeichnet. Aus Sicht von Jugendlichen ist dieser Begriff aber grundlegend falsch. Spätestens seit dem Jahr 2009 stieg bspw. die Verbreitung des ersten großen Social Media Netzwerks Facebook sprunghaft an. Die Jugendlichen mit denen wir arbeiten, sind meist zwischen 12 und 20 Jahre alt. D.h. Facebook und andere soziale Medien sowie eine „always on“-Kultur sind für diese eine Selbstverständlichkeit wie für andere das Fernsehen. Damit sind ihnen die Funktionsweisen der sozialen Medien oftmals intuitiv vertrauter als mancher Medienpädagoge. Es gibt viele Herausforderungen, die es bei der Arbeit mit sozialen Medien zu bedenken gibt.

Hürde 1: Einfach so online gehen ist nicht

Bei der Arbeit mit sozialen Medien kann man eigentlich nicht mehr ohne Fotos, Videos, Liveübertragungen oder kurzen Clips (bspw. Storys) arbeiten. Die meisten Plattformen funktionieren crossmedial und wollen eben genauso genutzt werden. Damit die Jugendlichen überhaupt diese Möglichkeiten adäquat nutzen können, ist eine Einverständniserklärung beider Elternteile erforderlich, dass ihre Kinder sich online zeigen dürfen. Diese von einer Gruppe zu bekommen stellt oft schon eine erste Hürde in der Arbeit mit diesem Medium da. Schlussendlich müssen auch Kinder ohne Einverständnis der Eltern (DSGVO beachten!) oder eigenem Willen vor die Kamera zu treten in die Gruppenarbeit auf Augenhöhe eingebunden werden.

Hürde 2: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum

Die eigene Einverständnis geben ist natürlich ein guter Anlass um über die Rechte anderer zu sprechen. Denn was jahrelang für private, analoge Fotoalben, die im Wohnzimmerschrank zu Hause lagern praktiziert wurde, wird in den sozialen Medien zur Rechtsfrage: Man darf eben nicht Menschen einfach so fotografieren und das Bild veröffentlichen. Dafür braucht es ein Einverständnis, denn jeder hat das Recht am eigenen Bild. Auch andere Bilder aus bspw. der Google-Bildersuche dürfen nicht einfach kopiert werden, sondern unterliegen dem Urheberrecht. Eine Missachtung kann schnell teuer werden. Die Kinder über die Rechte und Pflichten im Internet aufzuklären unter den Vorgaben des Gesetzgebers ist also unerlässlich und gleichzeitig ein sehr trockenes und sperriges Thema.

Hürde 3: Selbst benutzen ist nicht gleich Kompetenz

Die meisten Deutschen haben selbst einen Social Media-Account oder mehrere. Wobei das bloße bedienen können eines Mediums, wie dass ich einen Beitrag online stellen kann, noch nichts mit Kompetenz zu tun haben muss. Es gibt Projektgruppen, da sind den weniger alten Jugendlichen, trotzdem sie ein Social Media mit scheinbarer Selbstverständlichkeit nutzen, elementare Funktionen nicht bewusst. Das Wissen um, was muss ich beachten, um seriös aufzutreten, wie nutze ich richtig Hashtags oder Keywords ist oft nicht vorhanden. Die größte Herausforderung ist es aber vor allem eine Message in eine Story oder ein Posting bzw. Clip verpacken zu können. Während ein Foto von einem Essen eine Selbstverständlichkeit ist, braucht es viel Verständnis und Raffinesse ein komplexes Thema wie bspw. Menschenrechte in Social Media-taugliche, kompakte und knackige Botschaften zu verpacken.

Hürde 4: Zeit – Social Media nebenbei ist nicht

Oft gibt es Projekte, in denen mal ebenso nebenbei auch die sozialen Medien bedient werden sollen durch die Teilnehmenden selbst. Doch das funktioniert meist nicht. Regelmäßige Projektgruppenarbeit dauert meist nur eine kurze Einheit – bspw. 2 (Schul-)Stunden. In dieser Zeit ein Thema durchzuarbeiten und daraus Social Media-Postings zu konzipieren ist knapp bemessen, vor allem wenn man den Jugendlichen selbst Gestaltungsspielraum geben möchte. Ein bereits behandeltes Thema für die sozialen Medien aufzuarbeiten beansprucht an sich schon eine Sitzung des Projektgruppen-Zeitkontingent. Die Aufarbeitungsdauer ist vom Umfang her nicht zu unterschätzen.

Hürde 5: Mutig sein VS. Rechtssituation

Will man, dass die Jugendlichen wirklich selbst einen Kanal bespielen, dann müssen sie Raum haben diesen auch im Alltag zu nutzen. Ihnen außerhalb des kontrollierten Raumes der Projektgruppe das Vertrauen auszusprechen, Postings zu einem Thema, zu dem gearbeitet wird, zu erstellen, erfordert Mut. Auch sind Perfektionismus und überhöhte Qualitätsstandards seitens der pädagogischen Betreuung – je nach Alter der Gruppe – deutlich fehl am Platz. Es wird Rechtschreibfehler, inhaltliche Fehler oder missglückte Botschaften geben, jemand vergisst die Hashtags etc.. Wichtig ist hier vor allem die Nachschau, man muss sich Zeit nehmen zusammen über die Posts, die man gemacht hat, zu sprechen. Dafür müssen diese natürlich gesichert sein, denn einige Formate verschwinden nach 24 Stunden automatisch wieder.
Dem Mutig sein spricht die Rechtssituation entgegen: Postet doch mal ein minderjähriges Mitglied der Projektgruppe ein Foto ohne daran die Rechte zu haben, ist es nach der Rechtssprechung nicht eindeutig, wer dafür in Haftung zu nehmen ist.

Hürde 6: Das richtige Medium

Welches Social Medium, in welcher Altersgruppe gerade angesagt ist, ist unterschiedlich. In der siebten Klasse ist Musically vielleicht noch hip, in der Stufe drüber benutzen das nur „Babys“. Zudem gibt es Unterschiede von Klasse zu Klasse. In manchen Klassen haben bspw. noch viele einen Facebook-Account, in anderen praktisch Keiner mehr. Dies unterliegt einer ständigen Dynamik, u.a. auch durch neu aufkommende Netzwerke. Das macht es sehr herausforderungsvoll ein Projekt im Vorhinein so zu planen, sodass es an die Medien anknüpft, die die Jugendlichen einer Gruppe wirklich aktuell nutzen. Am besten ist es, wenn man vorher die Möglichkeit hat mit einer Gruppe darüber zu sprechen, bevor man inhaltlich plant. Denn jedes Social Media-Network hat seine eigene Logik und eröffnet andere Möglichkeiten mit einer Projektgruppe zu arbeiten.

Hürde 7: Viel Engagement erforderlich und längere Laufzeiten

Einen Kanal in den sozialen Medien mit eigener Followerzahl braucht einfach Zeit, Geduld und Flexibilität. Deswegen eignet sich die Nutzung der sozialen Medien für Projektgruppenarbeit bspw. eher für langfristig angelegte Projektgruppen, die sich regelmäßig treffen und bei denen die Jugendlichen ein hohes Commitment haben. Denn die Moderation von Kommentaren oder die Reaktion auf Beiträge und die Interaktion mit anderen Profilen muss auch außerhalb der Projektgruppenarbeit stattfinden, will man seine Abonnenten zufrieden stellen und halten.

Fazit, Mehrwert und Alternativen

Der Einsatz von Social Media in der Medienpädagogik als Projektbegleitung zu weiteren Themen will gut durchdacht werden. Die inhaltliche Ausarbeitung der Themen benötigt meist schon viel Zeit, das Aufarbeiten in verkürzte und komprimierte Social Media-Beiträge ist Herausforderungsvoll und zeitintensiv. Auch im rechtlichen Rahmen gibt es einiges zu beachten. Der Einsatz von sozialen Medien muss also stets gut durchdacht und geplant sein und mit einem adäquaten Zeitkontingent bemessen sein. Daneben bieten soziale Medien aber viel Raum für kreatives Arbeiten und da jeder selbst sein eigener Produzent ist mit bloß dem Smartphone als Equipment, ist der Zugang sich selbst Ausdruck zu verleihen sehr niederschwellig.
Für kurzfristige Projekte ist ein eigener Kanal weniger sinnvoll und man kann sich stattdessen überlegen, wie man die Inhalte der Projektgruppe sinnvoll in bereits bestehende Kanäle einbinden kann. Wer mit Gruppen über soziale Medien sprechen will, kann dies sicherlich auch in einem Workshop tun. Wenn man die Projektgruppenarbeit auffrischen möchte oder die Rechtslage zu unsicher ist, sollte man vielleicht lieber auf andere Möglichkeiten zurückgreifen wie Apps auf Tablets, die oft neue Möglichkeiten eröffnen können im Sinne von digitalen Abenteuern, Recherchen und Quizzen zu einem Thema, der Gestaltung von Comics an Tablets oder den Einsatz von handlichen und modernen Actionkameras als Alternative zur Filmkamera in der Medienpädagogik.

Sie haben Fragen dazu oder möchten gerne in ihrer Projektgruppe mit uns und sozialen Medien arbeiten? Dann fragen Sie uns gerne an. Wir bringen das passende Bildungsangebot zu Ihnen.