Eine Gruppe setzt sich gemeinsam für Demokratie und Inklusion ein. Dabei werden kleine Schilder mit Text und Bildern hochgehalten.

Reflexion eines inklusiven Medienprojektes

Für unsere demokratiepädagogische Projektarbeit spielt Inklusion eine wichtige Rolle. In vielen Projektgruppen ist die inklusive Zusammensetzung selbst jedoch sehr dürftig. Häufig gibt es Projekt- oder Workshopanfragen, die entweder für eine Gruppe von Menschen ohne Behinderungen oder eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen gestellt werden. Mit dem Modellprojekt „Es geht auch anders“ haben wir über 2 ½ Jahre versucht, genau dieses Muster zu durchbrechen und in möglichst heterogenen Gruppen aktiv zu werden.

Ein Text von Florian Klein

Rückmeldungen von Teilnehmenden, wie etwa, dass es schön sei, im Projekt nicht in der Rolle als „die geistig Behinderten, mit denen man mal was macht“, gewesen zu sein, zeigen, welchen Bedarf es an wertschätzender inklusiver Arbeit gibt. Wenn für die Umsetzung des Projektes jedoch inklusive Gruppen im Sinne von Menschen mit und ohne geistiger Behinderung erst einmal künstlich hergestellt werden müssen, zeigt dies, dass unsere Wunschvorstellung, eine inklusive Gesellschaft gemeinsam zu leben, leider noch viel zu häufig nur in der Theorie existiert. Viel zu selten gibt es Kontakte und einen gemeinsamen Austausch zwischen Menschen mit und ohne geistiger Behinderung.

Erfahrungen aus dem Modellprojekt, welches sich über 2 ½ Jahre zum Ziel gesetzt hat, diesen Austausch zu fördern und Hemmschwellen in der gemeinsamen kreativen Arbeit abzubauen, sollen hier noch einmal auf den Punkt gebracht werden:

  • Inklusion
    Inklusion wurde in diesem Projekt gelebt. In der Arbeit mit Fachkräften und auf unserer Fachtagung „Teilhabe in gemischten Gruppen – Inklusion und demokratische Bildungsarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ (am 22.02.2019 in St.Wendel) war es explizites Thema. In der Projektgruppenarbeit wurde es mal direkter, mal indirekter thematisiert, dafür aber umso stärker aktiv gelebt. Die heterogene Zusammensetzung der Projektgruppen stellte ein aktives Zeichen für gesellschaftliche Inklusion dar, mit all ihren Chancen und Herausforderungen. Barrieren und Kontaktschwellen, die im bisherigen Leben der Teilnehmenden kaum durchbrochen wurden, konnten durch das Projekt überwunden werden. Der Austausch und die Kommunikation der gemischten Gruppe untereinander, ermöglicht durch die gemeinsame (Medien-)Projektarbeit, stellte eine der größten Stärken des Projektes dar.
    Die sehr heterogenen Gruppenzusammensetzungen waren jedoch auch eine Herausforderung: sowohl für die Umsetzung des Projektes im Allgemeinen, als auch bezüglich des Gruppenklimas. Immer wieder kam es zu Momenten, bei denen einzelne Projektteilnehmende je nach Arbeitstempo oder thematischer Tiefe unter- oder überfordert waren. Die Herausforderung liegt bei der Projektleitung, sensibel für diese Entwicklungen zu sein und diesen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzusteuern. Dies kann durch die Verlagerung in Kleingruppenarbeiten mit unterschiedlichen Aufgaben sein, dem Ansetzen von Extraterminen für Teile der Gruppe, aber auch die Sensibilisierung und das „Aushalten“ der mit der Diversität einhergehenden Herausforderungen in der gemeinsamen Projektarbeit. Je nach Situation muss flexibel reagiert werden. Die Konzeption der einzelnen Projekttreffen musste von Woche zu Woche nochmals überarbeitet und an die aktuellen Entwicklungen, Arbeitsfortschritte und Wünsche der Teilnehmenden angepasst werden. Dabei ist es wichtig, in einem ständigen Austausch mit den Teilnehmenden und den Kooperationspartnern zu stehen. All diese Punkte zeigen auf, dass diese Art der Arbeit einen nicht zu vernachlässigenden Zeitaufwand beansprucht und einfordert.

 

  • Wertschätzung
    Der Schlüssel zum Erfolg der gemeinsamen Projektarbeit ist das Thema Wertschätzung. Dabei geht es einerseits um die Wertschätzung der Teilnehmenden untereinander, bei der es unser Ziel war, diese im Verlaufe des Projektes zu fördern und wenn nötig auszubauen. Aber auch die Wertschätzung, die die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von Seiten der Projektleitung entgegengebracht bekommen, ist außerordentlich wichtig. Genau dieser Punkt wurde in den Nachbesprechungen der Projekte als besonders positiv bewertet. Insbesondere die Teilnehmenden mit geistiger Beeinträchtigung hatten eine ausgeprägte Wahrnehmung dieses Umstandes und gaben diesen als besonders wichtig für sie zu erkennen. Die Wertschätzung begann für sie bereits damit, dass das Adolf-Bender-Zentrum als eine externe Einrichtung, die „ja eigentlich nicht mit ihnen arbeiten müsse“ (Zitat eines Teilnehmers), sie als unsere Projektteilnehmenden ausgewählt hätten. Auch der partizipative Charakter des Projektes, der zu Beginn für viele noch eine neue Erfahrung darstellte, wurde als Zeichen der Wertschätzung empfunden. Gemeinsame Exkursionen oder das gemeinsame Abschlussgrillen wurden von allen Projektteilnehmenden als nicht selbstverständlich wahrgenommen. Das Engagement und die in das Projekt investierte Zeit wurde zwischen Teilnehmenden und Projektleitung gegenseitig wertgeschätzt.

 

  • Leichte Sprache
    Leichte Sprache war ein zentraler Punkt der gemeinsamen Arbeit. Schnell stellt sich heraus, dass leichte Sprache nicht gleich leichte Sprache ist. Es war vielmehr so, dass von Gruppe zu Gruppe nochmal eine eigene Form der leichten und verständlichen (An-)Sprache gefunden werden musste. Die Anwendung, Erprobung und ständige Anpassung und Überarbeitung einer gemeinsamen Gruppensprache bedurfte eines gegenseitigen Feingefühls und knüpft an den zuvor genannten Aspekten der gegenseitigen Wertschätzung an.

 

  • Partizipation
    Die Partizipation und Mitgestaltungsmöglichkeit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellte eine besondere Stärke des Projektes dar, auch wenn sie wiederum neue Herausforderungen mit sich brachte. Die Teilnehmenden konnten sich selbst als Projektgestalter erfahren, die mit ihren individuellen Interessen und Stärken das Projekt nachhaltig mitprägen konnten. Diese Erfahrung war für einige Teilnehmende jedoch neu und führte daher zu Beginn teilweise zu leichten Unsicherheiten. Zwar wurde von der jeweiligen Projektleitung ein Rahmen vorgegeben, in dem das Projekt und die Projektgruppe in geordneten Bahnen agieren konnte, jedoch hatten einige Teilnehmende die Erwartung, noch mehr an Struktur und Vorgaben gesetzt zu bekommen. So hatte das Modellprojekt für die Teilnehmenden auch den Lerneffekt zu erfahren, wie Partizipation aussehen kann und wie wichtig es ist, sich in einer Gruppe miteinbringen zu können und es letztendlich auch zu tun, um die Richtung und den gemeinsamen Weg mit voranbringen zu können. Dadurch konnten viele Teilnehmende gestärkt aus dem Projekt hervorgehen. Auch in der Nachbetrachtung der gemeinsamen Arbeit mit allen beteiligten Kooperationspartnern wurde dieser Punkt besprochen. Es wurde davon berichtet, dass einige Teilnehmende auch Monate nach dem Projekt noch positiv bestärkt seien und ihr Auftreten und ihr Selbstbewusstsein positiv gestärkt werden konnte.

 

Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen, dass Inklusion herausforderungsvoll ist. In unserem täglichen Miteinander verlangt sie von allen Seiten etwas ab und ist besonders zu Beginn von vielen Unsicherheiten geprägt. In einem diversitätsbewussten Umgang und Austausch miteinander können diese Hürden jedoch überwunden werden. Auch wir als Akteur demokratischer Bildungsarbeit sehen uns dabei in der Verantwortung. In unserer Art der Arbeit und unseren Angeboten an Workshops, Projekten und Fortbildungen im Bereich Diversity und gesellschaftlichem Zusammenleben auf der Basis von Demokratie und Menschenrechten spiegelt sich diese Haltung wider. Inklusion macht Mehrarbeit…sie ist es aber auch Wert!

 

Das Modellprojekt „Es geht auch anders“, das von 2016-2019 über den Kinder- und Jugendplan des Bundes durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem saarländischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sowie dem Landkreis Sankt Wendel gefördert wurde, zielt auf die Förderung der Medienkompetenz von Jugendlichen mit und ohne (geistiger) Behinderung. Es werden drei Bildungsbausteine für gemischte Gruppen angeboten:

  • Medien und ihre Nutzung

Der eigene Umgang mit digitalen Medien und Unterschiede in der Gruppe werden deutlich gemacht. Eigene Nutzungsmuster mit ihren Risiken und Chancen werden behandelt.

  • Meinungsbildung und Vorurteile

Die eigene Meinungsbildung und ihre Abhängigkeit davon, wie Medien genutzt werden, sind ein Thema; ebenso werden Vorurteile mit ihren Wertungen behandelt. Erlebte Diskriminierungen, Frustrationen und ihr Umgang damit sind ebenfalls Thema.

  • Kunst und Theater

Möglichkeiten des Selbstausdrucks z.B. über Tanz, Video, Musik, Theater werden geübt. Nach vorherigen Absprachen ist es möglich, z.B. Musikerinnen/Musiker oder einen Fotografinnen/Fotografen einzuladen und mit diesen zu arbeiten. Später entscheidet die Gruppe darüber, ob und wie eigene Arbeiten präsentiert werden sollen.

Ein Leitprinzip der Gruppenarbeit ist dabei die Förderung von Dialog und Teilhabe.

Das Modellprojekt wurde über den Kinder- und Jugendplan des Bundes durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem saarländischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sowie dem Landkreis Sankt Wendel gefördert.