Lehrmeinung – Lehrer und Meinung?
Zur Meinungsfreiheit von Lehrkräften in der Schule
Ein Text von Petra Melchert
Das Thema hat Brisanz bekommen durch eine Meldeplattform, bei der Schüler*innen ihre eigenen Lehrkräfte „verpetzen“ können. Plötzlich sind nicht mehr die Schülerinnen und Schüler im Prüfungsmodus, sondern Lehrerinnen und Lehrer. Was dürfen wir noch sagen zu Politik und Weltgeschehen, fragen sich viele. Wie soll ich meine Klasse politisch bilden, sie aufs Leben und auf Urteilsbildung vorbereiten, wenn ich mich selbst als neutral und meinungslos präsentieren muss? Wie ihnen erklären, was in der Politik passiert, ohne Annährungen an die Grenzen von Grundgesetz und Verfassung zu thematisieren?
Tatsache ist: die Meldeplattform hat viel Staub aufgewirbelt in der politischen Bildung. Schlecht muss das aber nicht sein. In Zeiten verschärfter Sprache und Debatten kann die Rückbesinnung auf die Grundsätze und Prinzipien von Lehre und Verfassung uns Orientierung geben und aufzeigen, dass vielmehr möglich ist, als man glauben mag:
Was sollen Schüler*innen in der politischen Bildung lernen? Wichtig ist, dass sie politische Abläufe und Gegebenheiten kennenlernen, über aktuelle Debatten und Kontroversen informiert werden und eine eigene Urteilsfähigkeit entwickeln. Letzteres heißt, dass sie auch die Erfahrung machen sollen, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Das jeder eine Meinung hat – Lehrer also auch.
Darf ich als Lehrkraft in der Schule eine Meinung haben? Ja.
Die Meinungsfreiheit von Lehrkräften ist auch innerhalb des Unterrichts gegeben.
Darf ich mich als Lehrkraft politisch äußern? Grundsätzlich: Ja.
Wichtig ist, die eigene Meinung als eine gleichwertige unter vielen darzustellen. Werbung für oder Schmähung von einer konkreten Partei darf es nicht geben – das wäre gegen die Chancengleichheit.
Ein weiteres Problem ist der Umgang mit Programmen, Aktionen und Äußerungen von politischen Parteien, die rassistisch oder menschenfeindlich sind, dem Grundgesetz oder der Verfassung widersprechen. Müssen Lehrkräfte hierbei auch neutral sein?
Keinesfalls. Im Gegenteil: Lehrkräfte sollen für Menschenrechte und Grundgesetz einstehen und sind sogar dazu verpflichtet, sich gegen rassistische und rechtsextremistische Haltungen zu positionieren. Das gilt auch dann, wenn der Rassismus von einer Partei kommt. Was man mit den Schülern einordnen kann/ sollte, ist die Position an sich – ohne ein Generalurteil über eine Partei zu fällen.
Politische Diskussionen zu führen, auf Hetze reagieren – all das kann man lernen. Als Fortbildung für Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte und andere Interessierte bieten wir das „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ an. Darin beobachten wir typische Stammtischsituationen ganz genau und analysieren gemeinsam, was dort passiert und welche Gegenstrategien es geben kann. Auch für Ihre persönlichen herausfordernden Situationen finden wir Lösungen und üben die verschiedenen Möglichkeiten einer Reaktion im Rollenspiel ein. Unsere Teilnehmer_innen können aus dem Training einen Werkzeugkoffer voller Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven mitnehmen, der sich auf unterschiedlichste Situationen anwenden lässt.
Demokratie ist Übungssache. Rassismus, Antisemitismus und rechtsextreme Vorfälle kommen in allen Bereichen der Gesellschaft vor, manchmal eben auch im Kontext Schule. Und nicht immer handelt es sich um ein Ereignis, dass sich innerhalb eines Gesprächs wegdiskutieren lässt. Unsere Fachstelle gegen Rechtsextremismus – für Demokratie bietet zu all solchen oder ähnlichen Tendenzen und Vorkommnissen Beratung an – kostenlos, unbürokratisch und anonym.