Klausurtagung zur PfD Saar-Pfalz2019.08.19 in Gersheim

Graffiti sprayen, Kondome bedrucken, und ein Date mit dem Landrat

11 Tipps zur gelungenen Jugendbeteiligung auf regionaler Ebene

Wir sind im Saarland in mehreren „Partnerschaften für Demokratie“ für die Begleitung der dort verankerten Jugendforen verantwortlich. Aus den dort gewonnen Erfahrungen möchten wir einige Tipps zum Gelingen mit euch teilen.

 

In jeder „Partnerschaft für Demokratie“ im Bundesprogramm „Demokratie leben!“, gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist verpflichtend ein Jugendforum einzurichten. Dessen genaue Ausgestaltung wird bewusst offen gehalten und den regionalen Akteuren überlassen. Kennzeichnend ist jedoch, dass die Jugendlichen weitestmöglich an der konkreten Ausgestaltung der Partnerschaft mitwirken sollen und zudem über ein eigenes Budget verfügen, mit dem sie im Rahmen der Förderkriterien Ideen realisieren oder Projekte anderer Jugendlicher unterstützen können.

Das Adolf-Bender-Zentrum koordiniert im Auftrag von Städten und Landkreisen mehrere dieser Partnerschaften im Saarland. Seit vielen Jahren betreuen wir gemeinsam mit der protestantischen Jugendzentrale Homburg die Jugendforen der Stadt Homburg und des Saarpfalz-Kreises. Diese Arbeit ist erfüllend und kräftezehrend zugleich, jede Idee und jedes Projekt stellt sowohl die Jugendlichen, als auch uns vor neue Herausforderungen, die letztlich meistens mit einem Erfolgserlebnis enden.

In den letzten Jahren haben sich ein paar Grundpfeiler herauskristallisiert, die wir für sinnvoll und handlungsleitend halten und auch in der Beratungsarbeit gegenüber Kommunen betonen.

1. Freiraum first – Bedenken second!

„Wir wollen Werbekondome drucken mit Botschaften gegen Rechtsextremismus!“ Klingt ungewohnt, aber wenn die Förderkriterien das hergeben und der Förderer die Layouts genehmigt, dann wird das so gemacht. Der Erfolg gibt den Jugendlichen recht, nicht den Erwachsenen…

2. Thematisiert wird das, was von Jugendlichen als relevant erachtet wird!

Das kann z.B. das Thema Nachhaltigkeit sein, oder atomare Abrüstung, oder auch miserabel Ausstattung von Schulen, auch wenn das Projekt eigentlich den Schwerpunkt auf Demokratieförderung legt. Man lernt mit der Zeit, Dinge in Verbindung zu bringen, zusammenzudenken, Interessen und Engagement zu kanalisieren. Und wenn eine Idee tatsächlich nicht förderfähig ist, findet sich vllt. eine andere Möglichkeit dafür.

3. Wer sind wir und wenn ja wie viele?

„Warum engagiere ich mich um Jugendforum? Was bedeutet es für mich?“ – Um eine gemeinsame Gruppenidentität herauszubilden, ist es unerlässlich, diese Fragen zu beantworten, z.B. in Form einer Zukunftswerkstatt. Ein gemeinsam entwickeltes Leitbild dient nicht nur der Selbstvergewisserung, sondern unterstützt die Gruppe auch bei der Nachwuchswerbung und Öffentlichkeitsarbeit.

4. Offenheit ist Trumpf!

„Ich bring mal meinen kleinen Bruder mit!“ ist der beste Weg hin zu neuen Mitgliedern, gleiches gilt für Freundinnen, Nachbarskinder oder Leute die „nur mal gucken“ wollen. Egal ob Plenumsdiskussionen, Grillfest oder Sprayaktion – wann immer man die Chance hat, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen Mitwirkung zu ermöglichen, werden diese vielleicht Mitglieder auf Dauer.

5. Augenhöhe im Projekt!

Jugendliche gestalten das Gemeinwesen gleichberechtigt mit. Daher sind sie in den Partnerschaften für Demokratie stimmberechtigt im Begleitausschuss vertreten, nehmen an den Klausurtagungen zur Projektausrichtung teil, sitzen mit auf Diskussionspodien und bringen ihre Perspektive ein.

6. Die Zielgruppe bestimmt die Methode!

Ob Graffiti, Kurzfilm oder Poetry Slam – Auf welche Art und Weise Jugendliche ihre Meinung zum Ausdruck bringen können und müssen sie selbst entscheiden. Die Erwachsenen können sie dabei unterstützen, indem sie entsprechende Formate anbieten bzw. Support organisieren.

7. Ehrenamt braucht Hauptamt – Engagement braucht Betreuung!

Bei aller Eigenverantwortung und Selbstverwaltung brauchen Jugendliche klare qualifizierte Ansprechpersonen, nicht nur für die Projektarbeit im engeren Sinne, sondern auch für sonstige Sorgen und Nöte des Alltags.

8. Engagement ist dann, wenn die Jugendlichen Zeit haben!

…und daran müssen sich die Betreuer_innen orientieren. Kommunikation und Aktion finden in der Regel nicht Mo-Do von 9-16 Uhr statt, denn da ist die Zielgruppe in Schule, Uni oder am Arbeitsplatz. Darauf muss man sich einlassen, auch wenn es spät wird…

9. Das Unerwartete ist die Regel – auch wenn es weh tut!

Da terminiert man ein Treffen, und die Hälfte sagt kurzfristig ab…man plant ein Social-Media-Konzept (dreimal in drei Jahren!)- und niemand postet etwas, man organisiert eine Exkursion, und von 10 Interessierten fahren 4 mit.

10. Respekt für Bocklosigkeit!

Mal haben Menschen Lust…und dann wieder nicht…selbst wenn es um ihre eigenen Ideen geht. Ein höfliches Erinnern mag legitim sein, Druck ausüben eher kontraproduktiv. Wenn Jugendliche ein „Recht auf Bocklosigkeit“ in ihrem Leitbild verankern, ist das eben so…manches wird auf die lange Bank geschoben….und dort langfristig verstauben…

11. Gesundes Maß an Provokation!

Jugendliche sprechen ihre Sprache, Politiker_innen zuweilen eine andere. Zwischen „rumpimmeln“ und „fachchinesisch“ braucht es zuweilen keinen Moderator sondern eher einen Übersetzer. Trotzdem können beide Gruppen respektvoll und zielführend miteinander diskutieren und sich aufeinander einlassen. Die Begegnung der Jugendlichen mit Entscheiderinnen und Entscheidern, das Gefühl gehört zu werden, ist eine wertvolle und motivierende Erfahrung. Ob daraus reale Veränderungen resultieren, steht auf einem anderen Blatt.

Unsere zentrale Erkenntnis:
Habt Mut, lasst euch irritieren, manchmal auch frustrieren und letztlich dennoch begeistern! Man wird es euch danken!