Flipchartplakat zum Demokratieworkshop, Wie könnte eine Baumhaus aussehen?

Das Baumhaus unserer Träume – Demokratiebildung in der Grundschule?!

„Habt ihr eigentlich auch was für Grundschulen?“ – Diese Frage hören wir in den letzten Monaten immer häufiger. Die Antwort ist ein ganz klares „Ja, und…“. Bereits seit vielen Jahren arbeiten wir im Projekt „Kinderrechte, Menschenrechte – Richter gehen in die Schulen“ erfolgreich mit Grundschulgruppen. Immer öfter werden wir jedoch auch für demokratiepädagogische Projekttage in der Primarstufe und entsprechende Fortbildungen angefragt.  Darüber sind wir hoch erfreut, und versuchen solchen Anfragen im Rahmen unserer Möglichkeiten auch nachzukommen.

 

Dabei arbeiten wir u.a. mit zielgruppengerecht angepassten Methoden aus dem israelischen Trainingskonzept „Betzavta“ des Adam-Instituts. So wurde aus der Aktivität „Das Haus meiner Träume“ für Erwachsene in der Grundschule „Das Baumhaus unserer Träume“. Motiv und Arbeitsform wurden abgewandelt und vereinfacht, Grundprozess und Reflexion bleiben jedoch nahezu identisch und umfassen mehrere Grundfragen demokratischen Zusammenlebens, z.B.:

Wie lassen sich Individualinteressen und Gruppeninteressen in Einklang bringen?

Wie treffen wir unter Zeitdruck und begrenzten Ressourcen Entscheidungen?

Wie werden Bedürfnisse von Minderheiten geachtet und geschützt?

Jedes Kind hat zumindest eine grobe Vorstellung davon, wie ein Baumhaus aussehen kann. Im ersten Schritt gilt es, in Einzelarbeit eine Vision zu entwickeln, wie das Baumhaus der Träume aussehen soll und diese stichwortartig zu notieren. Was braucht man, um dort glücklich zu sein, wen oder was will man beim Einzug mitnehmen, was ist evtl. entbehrlich? Im zweiten Schritt geht es darum, diese Visionen in der Kleingruppe von 3-5 Personen vorzustellen. Erfahrungsgemäß treten hierbei unterschiedliche Vorstellungen zutage. Diese in Einklang zu bringen ist die Krux des dritten Schrittes, der gemeinsamen Plakaterstellung  in der Kleingruppe. Die Aufgabe, sich auf einen gemeinsamen Baumhausentwurf zu einigen und dieses schlussendlich auf ein großes Plakat zu malen stellt die Gruppen vor große Herausforderungen, befördert jedoch zugleich kreative Lösungsansätze. So entstehen ganz unterschiedliche Entwürfe des Zusammenlebens. Diskussionen in den Gruppen drehen sich oft um die Frage nach Gemeinschaftseigentum vs. Privateigentum, Gemeinschaftsraum vs. Privatsphäre, Offenheit für Gäste vs. Abgeschlossenheit nach außen und vieles mehr. Doch auch durch die Ignoranz von Bedürfnissen oder Missachtung von Absprachen können Konflikte in der Gruppenphase entstehen. Dies reicht bis hin zur Exklusion einer Einzelperson durch die Mehrheit am Tisch oder den initiativen Gruppenwechsel einzelner Kinder. Auch die Bitte nach einem zusätzlichen Plakat „nur für mich!“ ist nicht auszuschließen.

Gemäß Betzavta wird in dieser Phase nicht eingegriffen, sondern es wird durch die Betreuenden lediglich beobachtet. Gruppenwechsel etc. werden zugelassen und in der abschließen Reflexionsphase thematisiert.

Diese folgt jedoch erst, nachdem alle Gruppen ihre Plakatergebnisse präsentiert und erläutert haben. Die Frage, ob jeder weiterhin in dem Baumhaus wohnen möchte, an dessen Entstehung er beteiligt war, oder lieber in das Haus einer anderen Gruppe einziehen möchte, kann durchaus aufschlussreich sein und weiteres Diskussionspotenzial liefern.  Der Transfer des Erlebten zu realen Alltagsproblemen fällt den Kindern hier oftmals weniger schwer als gedacht. Er ergibt sich aus der Frage nach den Ursachen von Streit und Missachtung von Bedürfnissen. Beides wird z.B.  als Resultat von Egoismus, empfundenen Wettbewerbsdruck oder mangelnder Kommunikation angesehen. Obwohl durch die anfängliche Vorstellung der Einzelideen innerhalb der Kleingruppe eine Klärung aller Bedürfnisse stattfand, gerieten diese Informationen im Anschluss im Eifer des Gefechts aus dem Blickfeld, genau wie manche Personen am Tisch…wie man das künftig vermeiden könnte kann auch Gegenstand des Workshops sein, z.B. durch die Erarbeitung der vier Schritte demokratischer Entscheidungsfindung, die man im Nachgang auch als klassisches Lern- und Merkplakat im Klassenzimmer nutzen kann.

Eines sollte jedoch allen klar sein: Ein einzelner Workshop oder Projekttag kann als isoliertes Einzelereignis weniger Wirkung entfalten, als wenn er Teil eines umfassenden fächerübergreifenden Gesamtkonzeptes zur  Demokratiebildung in der jeweiligen Schule ist. Klassenrat und Schülerparlament sollten eigentlich in keiner Grundschule fehlen, ebenso sollten demokratiepädagogische Aktivitäten wie oben beschrieben regelmäßig Eingang in den Unterrichtsalltag finden.

Plakatgemälde, auf dem man vier verschiedene miteinander verbundene Baumhäuser sieht Notizkarte mit Schülervision zum Baumhausbau Schülerplakat, auf dem man ein gemeinsames Baumhaus sieht