9. November 1938: Erinnern an die Reichspogromnacht
Heute jähren sich zum 82. Mal die Geschehnisse der Reichspogromnacht, die eine neue Dimension der Judenverfolgung markiert.
Ein Text von Celina Grasse
Die Reichspogromnacht markiert den Beginn zahlreicher schrecklicher Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung. Bereits mit der Machtergreifung Hitlers 1933 kam es zu ersten Ausgrenzungen durch diskriminierende Gesetze. Hierzu zählt beispielsweise das „Berufsbeamtengesetz“ vom April 1933, welches jüdische Beamt*innen aus den Dienst entfernte. Die Diskriminierung der jüdischen Mitbürger*innen gipfelten 1935 in den sogenannten „Nürnberger Gesetzen“, die mit ihrem Inkrafttreten durch den nunmehr gleichgeschalteten NSDAP-Reichstag die rechtliche Grundlage für die Verfolgung von Juden* in Deutschland legalisierte. Antisemitische Taten und Verbrechen wurden somit legal und gesetzlich verordnet.
Als Vorwand für die gewaltsame Eskalation gegen Jüdinnen und Juden in der Reichspogromnacht diente das Attentat am 7. November 1938 auf den deutschen Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath durch den siebzehnjährigen polnischen Juden Herschel Grynszpan. Dieser sagte aus, die Tat begangen zu haben, um Vergeltung für seine deportierten Eltern zu üben. Joseph Goebbels nutzte den Vorfall, um reichsweite Aktionen gegen Juden* zu organisieren. Dabei fiel die Wahl der Nationalsozialist*innen auf den 9. November, da dieses Datum an den Jahrestag des gescheiterten Hitlerputsches 1923 erinnerte.
Zahlreiche Verbrechen auch im Saarland
Die Ausschreitungen begangen am Abend des 9. Novembers und endeten in den Morgenstunden des Folgetages. Im gesamten Reich wurden zahlreiche jüdische Geschäfte und Wohnungen durch Anhänger*innen der NSDAP und NS-Organisationen wie der Hitler-Jugend demoliert und geplündert sowie Synagogen gebrandschatzt. Jüdische Mitbürger*innen wurden aus ihren Wohnungen gezerrt und unter Demütigungen und Gewaltakten durch die Straßen getrieben, um größtenteils in Konzentrationslager deportiert zu werden. Historiker*innen schätzen, dass ca. 26.000 Juden* verhaftet, 7.000 Geschäfte geplündert wurden und über 1.300 Menschen direkt oder im Zusammenhang mit der Nacht umgekommen sind.
Auch im Saarland kam es zu massiven Ausschreitungen an jüdischen Mitbürger*innen. In Saarbrücken wurden in der Nacht SS-Truppen bereitgehalten, um die Synagoge in der Futterstraße in Brand zu stecken, Wohnungen zu verwüsten und zu plündern, sowie Juden* durch die Stadt und die Bahnhofsstraße (damals Adolf-Hitler-Straße) unter Erniedrigungen und Bloßstellungen zu treiben. 150 Juden* aus dem gesamten Saargebiet wurden am Hauptbahnhof versammelt, für einige Tage in die Gestapo-Zelle am Schloss eingepfercht, um dann vorwiegend in das Konzentrationslager Dachau deportiert zu werden. Im Landkreis St. Wendel wurden in fünf Orten – in St. Wendel, Tholey, Sötern, Bosen und Gonnesweiler ebenfalls jüdische Einrichtungen durch SA-, SS- und NSDAP-Mitgliedern zerstört, geplündert und in Brand gesetzt.
Die Ausschreitungen markieren einen deutlichen Beginn der Verfolgungen, Diskriminierungen und Ausgrenzungen, die letztlich in der Shoah, dem systematischen Völkermord, an über 6,3 Millionen Menschen gipfelte. Damit so etwas nie wieder geschieht, ist das Erinnern an die Gräueltaten wichtiger denn je.