Ausgestreckte Hand mit Schriftzug "Wir helfen"

12 Punkte im Umgang mit rassistischen, antisemitischen oder rechtsextremen Vorfällen

Unsere Fachstelle im Netzwerk gegen Rechtsextremismus hat 12 Punkte im Umgang mit rassistischen, antisemitischen oder rechtsextremen Vorfällen zusammengestellt, um Handlungsmöglichkeiten für Schulen und andere pädagogische Einrichtungen aufzuzeigen. 

Ein Text von Michael Groß

In unserer Fachstelle gegen Rechtsextremismus – für Demokratie beraten wir Einzelpersonen, Organisationen, Schulen und Kommunen im Umgang mit rassistischen, antisemitischen und rechtsextremen Vorfällen.

Bereits seit einigen Jahren finden die meisten Beratungen in Schulen statt. Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen machen immer häufiger die Erfahrung, dass in den Klassen Vorurteile und rassistische Sprüche geäußert werden oder rechtsextreme Musik, Symbole und Codes verbreitet werden. Konflikte in den Klassen nehmen zu und stellen die pädagogischen Fachkräfte vor Herausforderungen.

Doch wie kann mit diesen Problemen umgegangen werden? Betrachtet man Schulen und andere pädagogische Einrichtungen als Systeme, dann werden verschiedene Ebenen mit ganz unterschiedlichen Möglichkeiten sichtbar.

Unsere Erfahrung in der Beratungsarbeit hat gezeigt, dass die nachfolgenden Handlungsmöglichkeiten sehr hilfreich sein können.

1.
Gemeinsamer Austausch und Bildung einer Steuerungsgruppe

Tauschen Sie sich im Team aus. Schaffen Sie eine gemeinsame Problemwahrnehmung und suchen Sie zusammen nach Lösungen. Denken Sie dabei an die verschiedenen Perspektiven in Ihrer Schule, die Sie nutzen können: z.B. Lehrer*innen, Schulsozialarbeit, Schüler*innen, Elternvertretung. Die Bildung einer Steuerungsgruppe schafft Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit und nutzt die verschiedenen Potentiale in Ihrem System.

2.
Eine Strategie entwickeln

Oftmals sind wir bei Vorfällen erst einmal Einzelkämpfer*in. Sich in einem Team auszutauschen kann bereits helfen. Doch was dann? Um auch nachhaltig die Herausforderung zu bewältigen, ist eine gemeinsame Strategie sehr nützlich. Welche Maßnahmen, sollen bis wann, von wem und für wen umgesetzt werden? Eine Strategie macht die gemeinsamen Absprachen und das gemeinsame Vorgehen transparent.

3.
Gemeinsames Leitbild erstellen

Hat Ihre Schule ein Leitbild, hinter dem sich alle versammeln können? Ein Leitbild, das bestimmte Werte des täglichen Zusammenlebens beinhaltet, auf das Sie sich z.B. gegenüber Schüler*innen, Eltern und Kolleg*innen berufen können. Bedenken Sie auch, je mehr Menschen an der Entwicklung des Leitbildes beteiligt sind, desto größer ist auch die Chance, dass sich die Menschen daran orientieren. Auch die Beteiligung am Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ setzt ein deutliches Zeichen nach innen und nach außen und wird durch gezielte Maßnahmen umgesetzt.

4.
Ressourcen bündeln

Tragen Sie zusammen, welche Ressourcen an der Schule verfügbar sind. Gibt es z.B. ausgebildete Erlebnispädagog*innen, Mediator*innen, Fortbildungen in Kommunikationsstrategien, oder sonstige Weiterbildungen und Professionen in Ihrem Kollegium oder unter den Eltern und Schüler*innen? Ein Überblick über die bereits verfügbaren Ressourcen kann neue Handlungsoptionen sichtbar machen und stärkt Ihr Team von innen.

5.
Rechtsextreme Erscheinungsformen erkennen

Haben Sie im Kollegium ein Auge für rechtsextreme Kleidung, Musik oder bestimmte Symbole und Codes? Viele rechtsextreme Erscheinungsformen sind sehr direkt und sofort erkennbar. Doch einige sind subtil, verstecken sich hinter Zahlencodes und beschönigenden Begriffen. Nur wer diese Formen erkennt, kann auch entsprechende Entwicklungen wahrnehmen und dagegen vorgehen. In unserem Bildungsangebot finden Sie Workshops für pädagogische Fachkräfte, in denen über die verschiedenen rechtsextremen Erscheinungsformen informiert wird.

6.
Klare Grenzen setzen

Eine wichtige Bedingung für rassistische, antisemitische und rechtsextreme Handlungen sind begünstigende Gelegenheitsfaktoren. Gibt es an Ihrer Schule eine klare Regelung, was passiert, wenn z.B. rechtsextreme Kleidung getragen, verbotene Symbole gekritzelt oder menschenfeindliche Äußerungen getätigt werden? Verbietet Ihre Schulordnung das Tragen von einschlägigen Marken oder das Abspielen rechtsextremer Musik? Gibt es bei Vorfällen offen kommunizierte Sanktionen? Das Setzen von klaren Grenzen kann die Gelegenheitsfaktoren eindämmen.

7.
Den Vorfällen mit positiven Werten begegnen

Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus liegen eine Ideologie der Ungleichwertigkeit zu Grunde. Um präventiv und interventiv dagegen vorzugehen, ist es hilfreich, Werte zu fördern, die die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Menschen ausdrücken. Die pädagogische Arbeit zu den Kinder- und Menschenrechten oder der Diversity-Ansatz sind geeignete Mittel, für die es viele spannende Methoden gibt. Schauen sie einmal in die große Schatztruhe der Politischen Bildung und der Demokratiepädagogik. Auch die Etablierung eines Klassenrats oder die Ausbildung von Streitschlichter*innen folgt diesem Gedanken.

8.
Die Arbeit mit den auffälligen Schüler*innen

Versuchen Sie in Einzelgesprächen einen guten Zugang zu der Schülerin/dem Schüler aufzubauen. Was liegt den Vorfällen zu Grunde? Woher kommt die entsprechende Haltung? Was ist der Antrieb und welche Emotionen und Bedürfnisse drücken sich durch die Handlungen aus? Manchmal finden wir Anhaltspunkte für Interventionsmöglichkeiten, die sich hinter den Vorfällen verstecken und erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Zum Beispiel gibt es aus dem Bereich der Gewaltfreien Kommunikation Techniken, die in einem solchen Gespräch helfen können. Auch die Angebote der Distanzierungsberatung sind nützlich, wenn sich ein junger Mensch von der rechtsextremen Ideologie wieder lösen will.

9.
Die Opfer schützen und unterstützen

Kommt es zu Vorfällen, können auch einzelne Schüler*innen betroffen sein und zu Opfern von Rassismus, Antisemitismus und Gewalt werden. Nicht selten konzentrieren wir uns zu sehr auf die Täter und verlieren die Betroffenen aus dem Blick. Sie zu schützen, zu stärken und die Vorfälle zu stoppen ist wichtig. Denn für die Opfer ist es nahezu unmöglich, sich selbst aus dieser Situation ohne Hilfe von außen zu befreien. Der Zuspruch von Lehrer*innen und Schulsozialarbeit, die Bildung eines Helferkreises oder die Angebote der Opferberatungsstelle sind hierbei gute Handlungsoptionen.

10.
Die Unentschlossenen und Kritischen stärken

Oftmals gehen die Vorfälle von wenigen Schüler*innen aus. Unbemerkt bleiben für uns nicht selten die unentschlossenen Schüler*innen und diejenigen in der Klasse, die den Vorfällen ablehnend gegenüberstehen. Diese Schüler*innen gezielt zu stärken, kann ein guter Ansatz sein, um die Verhältnisse in der Klasse zu verändern. Möglichkeiten sind z.B. AGs zu den entsprechenden Themen oder Argumentationstrainings.

11.
Vorbereitet in Elterngespräche gehen

Seien Sie gut vorbereitet, wenn Sie mit den Eltern über die Vorfälle sprechen. Manchmal spielen Eltern die Probleme herunter. Weisen Sie daraufhin, dass es an der Schule klare Grenzen gibt und diese auch durchgesetzt werden, dass der Vorfall kein Kavaliersdelikt ist und nicht geduldet wird. Vielleicht beschönigen Eltern das Verhalten ihres Kindes, aber oftmals wollen sie nicht, dass ihr Kind negative Konsequenzen tragen muss. Bei Eltern, die selbst z.B. rassistisch eingestellt sind, hilft es, mit bestimmten Kommunikationsstrategien in das Gespräch zu gehen. Zum Beispiel fördert ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen die Handlungssicherheit für solche Situationen.

12.
Strafrechtliches zur Anzeige bringen

Bei Volksverhetzung oder Gewalttaten sollte die Polizei eingeschaltet werden. Dies ist nicht nur ein klares Signal, es sorgt auch dafür, dass diese Taten in den Statistiken der Ermittlungsbehörden erfasst werden und danach politisch auf die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen reagiert wird. Die Anzeige ersetzt allerdings nicht die pädagogische Arbeit, um den Herausforderungen auch nachhaltig zu begegnen und präventiv zu wirken.